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Branding: Eine theoretische Einführung in die strategische Markenführung

Publikationsdatum: 6. September 2010
Autor: Alexander Berzler

Die folgenden Ausführungen sind der Publikation “Visuelle Unternehmenskommunikation” (Berzler, 2009) entnommen. Am Artikelende ist der Zitationshinweis und die Bibliographie (zum Download) zu finden.

Die Markierung von Produkten hat eine lange Tradition und findet sich in sämtlichen Hochkulturen. Im alten Ägypten (3000 v. Chr.) wurden bereits Ziegelsteine, welche den Weg zu den Pharaonen-Gräbern wiesen, mit Symbolen versehen. In Kanaan, dem heutigen Syrien, wurden schon 2000 v. Chr. Krüge von deren Herstellern markiert. Auch Steinmetze hinterließen auf den Mauern Trojas ihre Markierungen. Im Mittelalter forderten die Gilden von ihren Mitgliedern die Markierung der Produkte zur Hervorhebung der konsistenten Qualität und zum Zwecke der Abgrenzung von konkurrierenden Herstellern (vgl. Esch/Langner 2005: 575). Etymologisch lässt sich das englische Wort „brand“ nach Gad (2005: 24) auf die Wikinger (517-1066 n. Chr.) zurückverfolgen. Zur Zeit der Nordmänner bedeutete „Branding“ das Brandmarken von Vieh zum Zwecke der Kennzeichnung von Besitz und einer eindeutigen Zuordnung. Esch (2004: 167) sieht den gleichen Zusammenhang der ursprünglichen Verwendung des Wortes. Er geht allerdings davon aus, dass das Wort auf nordamerikanische Siedler zurückgeht.

In der heutigen Zeit stellt die Vermittlung einer Positionierung (vgl. Kapitel 5.2.3.3), die der Marke eine einzigartige, bedürfnisrelevante Stellung in den Köpfen der Zielpersonen sichert und dazu führt, dass letztendlich die eigene Marke jenen der Konkurrenzmarken vorgezogen wird, das oberste Ziel des Brandings dar. Branding umfasst nach Langner (2003: 24f.) prinzipiell alle Gestaltungselemente einer Marke, die dazu geeignet sind, ein Angebot aus der Masse gleichartiger Angebote herauszuheben, welche eine eindeutige Zuordnung des Angebots zur Marke ermöglichen. Er postuliert zum Zwecke der Vermittlung positiver und leicht erlernbarer Markenassoziationen grundlegend drei zentrale Ziele des Brandings:

(1) Verstehen: Branding sollte zum Aufbau einer eindeutigen Markenpositionierung beitragen. Die vermittelten Assoziationen sollten eindeutig, stark und bedürfnisrelevant sein und sich von konkurrierenden Marken absetzen.

(2) Gefallen: um bei den Rezipienten ein positives Image aufzubauen, sollte das Branding positive Eindrücke hinterlassen. Solche positive Assoziationen lassen sich vor allem durch eine emotionale und ästhetisch anspruchsvolle Gestaltung evozieren.

(3) Behalten: Branding sollte möglichst einprägsam gestaltet sein, damit es von den potentiellen Konsumenten möglichst rasch gelernt und sodann auch behalten wird, sich quasi in die Köpfe der Rezipienten „einbrennt“.

Der Gestaltung der visuellen Elemente des Brandings kommt eine zentrale Bedeutung zu, da sie einen unverzichtbaren Beitrag zur wirkungsvollen Kommunikation mit den Zielgruppen leisten (Langner 2003: 12). Die Marken der Zukunft müssen nach Gad (2005: 65) „für etwas stehen“, denn es reicht nicht, „einfach nur jedem zu gefallen.“ Marken sollten daher für Joint-Ventures, Partnerschaften oder Co-Brandings [1] offen sein. Marken werden zukünftig die Kreativität des Kunden herausfordern, ihn unterhalten und gleichzeitig Qualität und Zuverlässigkeit bieten müssen (Gad 2005: 65).

Multisensuale Markenführung

Einige praktische Implikationen zur Führung von Marken offenbart die von Lindstrom im Jahr 2003 durchgeführte Brand Sense-Studie. In 13 Ländern wurden über zweitausend Probanden in einer Online-Umfrage zu zehn der weltweit größten und bekanntesten Marken [2] und weiteren fünf lokalen Marken befragt (vgl. Lindstrom 2005: 219f). Das Ziel der Studie lag darin, den Beweis zu führen, dass die mit einer Marke verknüpfte sinnliche Erfahrung eine Schlüsselrolle für die Markenloyalität der Konsumenten spielt. Die Probanden wurden beispielsweise befragt, ob der Eindruck vom Produkt sie positiv oder negativ über die Marke denken ließ, oder ob bestimmte Erinnerungen und Gefühle durch das Produkt evoziert wurden. Die Studie konnte belegen, dass mehr aktivierte Erinnerungen durch Sinneseindrücke zu einer stärkeren Bindung zwischen Marke und Konsumenten führt (Lindstrom 2005: 69). Die Erhebung führt weiters zu dem Ergebnis, “that a multisensory appeal directly affects the perception of the quality of the product, and therefore the value of the brand. The study further demonstrates a correlation between the number of senses a brand appeals to and the price. Multisensory brands can carry higher prices than similar brands with fewer sensory features.” (ebd.: 70) Die fünf menschlichen Sinne können wie folgt nach deren Wichtigkeit gereiht werden (ebd.: 69): Sehsinn, (2) Geruchssinn, (3) Hörsinn, (4) Geschmacksinn, (5) Tastsinn

Lindstrom betont – basierend auf seinen empirischen Erkenntnissen – besonders den Geruchssinn stärker einzusetzen, da dieser neben dem Sehen (a) als zweitwichtigster Sinn gilt und (b) über ein hohes „Wiedererinnerungspotential“ verfügt (vgl. hierzu Lindstrom 2005: 68f, 92ff und Meise 2006: 36f). Es ist nicht notwendig – und oftmals beinahe unmöglich – alle fünf Sinne anzusprechen; Es genügt bereits das Hinzufügen eines zusätzlichen Sinnes, um eine höher kommunikative Wirkung zu entfalten. Meyer (2001) konnte in ihrer Arbeit zum Thema Produkthaptik nachweisen, dass die Wiedererkennungsleistungen des haptischen Gedächtnisses deutlich besser sind als jene des Geruchsgedächtnisses. Die Wiedererkennungsquote bei der Identifikation von Düften liegt bei 40 Prozent, wohingegen das „haptische Gedächtnis“ eine doppelt so hohe Quote liefert. Diese enorme Leistung liegt der Gedächtnistheorie zufolge daran, dass einerseits das Gedächtnis bevorzugt solche Repräsentationen oder innere Bilder speichert, die auf Grund eines direkten Kontaktes entstehen und andererseits, weil an der Speicherung haptischer Reize vier verschiedene Repräsentationsformen beteiligt sind: visuelle, taktile, kinästhetische und konzeptuelle – was die Verschaltung im Gehirn verstärkt und dadurch die Konsistenz von Erinnerungen enorm steigert (Meise 2006: 36 in summarischen Bezug auf Meyer 2001). Meyer konnte weiters emotionale Schemata herausfinden, die die Testpersonen mit den haptischen Reizen verknüpften: die Empfindung „entspannend“ wurde besonders mit glatten Flächen verbunden, „erotisch“ mit kühlen und glatten Flächen, „herb“ mit rauen Texturen und „majestätisch“ mit „harter Konsistenz“ (ebd.). Die Integration des Tastsinnes in Werbekampagnen ist in der Praxis jedoch schwierig und nur mit hohem finanziellem Aufwand zu bewerkstelligen (und erscheint bei Medien wie Fernsehen oder Internet beinahe unmöglich). Es ist allerdings für das Branding möglich durch die Evozierung innerer Repräsentationen taktile Reize hervorzurufen: beispielsweise durch das Bild einer streichelnden Hand, durch plastische Abbildung oder Filmen von samtigen oder rauen Oberflächen im Zusammenspiel mit passenden akustischen Reizen (vgl. Meise 2006: 36). Morrin (2005) konnte nachweisen, dass angenehme Gerüche und Musik bewirken, dass Produkte besser erinnert werden. Stöhr (1998) konnte feststellen, dass die Verweildauer und die Wiederkommensabsicht der Kunden ansteigen, wenn im Verkaufsraum frischer Zitrusduft verströmt wird (ebd: 37). Solche Erlebnisvermittlungen, welche über die gängige Praxis der reinen Kundengewinnung mittels des Preis-Arguments hinausgehen, stellen zukunftsträchtige Branding- und Verkaufsstrategien dar; Allerdings steigt hierbei auch die Manipulationsgefahr – besonders, wenn diese Stimuli unter- oder nur knapp oberhalb der Wahrnehmungsschwelle liegen.

Durch „integriertes Branding“ – also dem bestmöglichen Abstimmen zwischen allen Markenelementen (Markenname, Markenbild und Produkt-/Verpackungsdesign) – lässt sich der Aufbau einer Marke beschleunigen. Integrierte Wort-Bild-Kombinationen (Zusammenstellungen bei denen Name und Bild die gleichen Assoziationen hervorrufen) werden nicht nur fast doppelt so schnell (3,36 Sekunden) verarbeitet wie fraktale Kombinationen (6,26 Sekunden), sie rufen auch deutlich bessere ästhetische Beurteilungen hervor (vgl. Langner/Esch 2003: 48). Weiters bemerkenswert: nach einmaliger Darbietung erinnern sich 32 Prozent der Gruppe an ein integriertes Branding, dagegen nur drei Prozent an ein fraktales Branding. Langner/Esch (2003: 48ff) schlagen für ein erfolgreiches Branding die Durchführung von sechs Schritten vor:

(1)   Festlegen der angestrebten Markenidentität: die Markenidentität spiegelt alle charakteristischen Merkmale der Marke wieder. Da sich die heutigen Marken objektiv kaum mehr in ihrer Leistung unterscheiden, sollte im Zuge der Festlegung der Markenidentität der „emotionale Bereich“ nicht vernachlässigt werden, um sich von der Konkurrenz abzuheben und dadurch die Bezugsgruppen langfristig zu binden.

(2)   Ableiten der beabsichtigten Markenpositionierung: die Markenidentität findet sich in der Positionierung wieder; die eben genannten Möglichkeiten der (emotionalen) Differenzierung werden festgelegt.

(3)   Analyse des Brandings konkurrierender Marken: um zu verhindern, dass Branding austauschbar wird (was z. T. der Praxis entspricht), sollten die Konkurrenzmarken einer Analyse unterzogen werden, um Chancen des Differenzierens zu erarbeiten, denn: „Deutlicher als mit einem austauschbaren Design ist der Zielgruppe nicht mitzuteilen, dass es eigentlich egal ist, welche Marke sie kaufen.“ (ebd.: 49)

(4)   Effektive Markennamen entwickeln: Der zu entwickelnde Markenname sollte die beabsichtigte Positionierung der Marke eindeutig und eigenständig vermitteln. Markennamen mit lexikalisierten Bedeutungen (etwa „Landliebe“, „Kinderschokolade“) erfüllen diese Anforderungen besonders gut (diese lassen sich jedoch häufig unzureichend rechtlich schützen).[3]

(5)   Markenbilder, Verpackungs- und Produktdesign wirkungsvoll gestalten: besonders der prägnanten Kreation dieser visuellen Kommunikationsmittel sollte in Anbetracht des flüchtigen Betrachtungsverhaltens der Konsumenten besondere Beachtung geschenkt werden. Damit das Branding die Markenpositionierung schnell und unverständlich vermitteln kann, sollten Markenbilder redundant zum Markennamen (d.h. Evozierung der gleichen Assoziationen) gestaltet werden. Redundante Wort-Bild-Kombinationen bleiben beim Konsumenten besser haften, gefallen besser und sind in der Lage die Markenpositionierung eindeutig und rasch zu vermitteln. Die Marke Weißer Riese etwa verdankt ihre prägnante Positionierung (große Waschkraft, Ergiebigkeit) nicht zuletzt ihrer redundanten Wort-Bild-Kombinationen. Besonders prägnante Bildmotive sind beispielsweise die lila Milka-Kuh oder der strahlende Muskelmann von Meister Proper. Abstrakte Logos sind aus wissenschaftlicher Sicht kaum zu rechtfertigen (Langner/Esch 2003: 51). Abstrakte Markenbilder vermitteln keine konkreten Assoziationen, welche zur Markenpositionierung beitragen, auch die Wiedererkennung ist i.d.R. unzureichend (vgl. Paivio 1991). Auch das kreative Produkt- und Verpackungsdesign kann und muss zu einem integrierten Branding und zur Differenzierung beitragen.

Controlling des Brandings: es ist hierbei sinnvoll von der Ganzheitlichkeit der menschlichen Wahrnehmung auszugehen – entsprechend dem gestaltpsychologischen Leitsatz „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“. Als Zielgrößen des Controllings dienen die formulierten Ansprüche an ein erfolgreiches Branding: Identifikation und Differenzierung, Vermittlung der Markenpositionierung, Gefallens- und Erinnerungswirkung.


  1. Unter „Co-Branding“ wird die „systematische Markierung einer Leistung durch mindestens zwei Marken, wobei alle sowohl für Dritte wahrnehmbar sein als auch weiterhin eigenständig auftreten müssen.“ (Baumgarth 2003: 30)
  2. Folgende Marken wurden untersucht: Coca Cola, Nike, McDonalds, Sony, Dove, Mercedes-Benz, Ford, Gillette, Vodafone/Disney und Levi’s.
  3. Es lassen sich grundsätzlich drei Ansätze bei der Suche nach Namen, die eine Markenpositionierung eindeutig und schnell vermitteln, unterscheiden:
  • Name als beschreibendes Adjektiv:
    Bei dieser Strategie beschreibt der Markenname eine „positionierungsrelevante Eigenschaft“ des Unternehmens oder der des Angebotes. Beispiele: Silence (Mineralwasser), Milea (Kaffee) oder Maxus (Warenhaus). Sie beschreiben die zentrale Positionierungseigenschaft (still, mild, groß). Empirische Studien zeigen, dass diese Namen die Positionierung sehr schnell (Mittelwert: 2,8777 Sekunden) und leicht verständlich (92 Prozent der Befragten konnten die Positionierung korrekt erkennen) kommunizieren.

  • Name als Analogie:
    Der Name beschreibt hierbei ein Objekt, dessen hervorstechende Eigenschaft auf die Marke übertragen werden soll. Name und Produkt werden quasi über den Vergleich „ist wie“ miteinander verbunden. Beispiele: Mustang und Jaguar. Empirische Erhebungen zeigen, dass Analogien eine Markenpositionierung effizient (Mittelwert: 3,609 Sekunden) und effektiv (85 Prozent korrekte Antworten) vermitteln.

  • Name als Kontextinformation:
    Hierbei vermittelt der Markenname eine Aussage, die sich thematisch auf die Marke bezieht. Name und Produkt teilen sich i.d.R. keine gemeinsamen Eigenschaften, sondern stehen thematisch in einem sinnvollen Kontext (wie z.B. „kommt aus“, „ist gemacht aus“, „ist für“ oder „verursacht“). Beispiele: Credit Suisse (Bankunternehmen), Swissflex (Matratzenhersteller) oder Montana (Kaffeemarke). Bei geläufigen Relationen verstehen über 90 Prozent der Rezipienten die Markenpositionierung wie beabsichtigt. Allerdings ist die Rezeptions- bzw. Bearbeitungsdauer der Positionierung mit 5,0306 Sekunden deutlich länger im Vergleich mit den vorangegangenen „Namensstrategien“.

Originalquelle: Berzler, Alexander (2009): Visuelle Unternehmenskommunikation. Beiträge zur Medien- und Kommunikationsgesellschaft. Studienverlag, Innsbruck, 2009 (ISBN: 978-3-7065-4773-4)